Salz! Eindeutig Salz!
Zu einem Medienevent der besonderen Art hatte die in Telgte und Münster neu gegründete Unternehmung „Five Lions“ gestern Abend geladen: Auf dem Programm stand ein sogenanntes „Whisky Tasting“.
Die beiden Geschäftsführer Mika Kaijo und Alexander Springensguth sind selbst große Freunde der berühmten schottischen Single Malts und haben die Five Lions gegründet, weil ihnen in ihrem Hobby irgendwann die Vielfalt abhanden gekommen war. Die im Handel befindlichen Klassiker hatten die Freunde durch, nicht immer kam bei Flaschenpreisen von gerne mal 100–200,- Euro dabei die ganz große Begeisterung auf und irgendwann war da die Idee: da muss doch mehr sein. Schließlich gibt es allein in Schottland rund 100 Destillerien, die teilweise seit über 200 Jahren ihrem Handwerk nachgehen und durch ungezählte Kombinationen aus Wasser, Maische sowie und Art und Dauer der Fasslagerung Jahr für Jahr eine schier unglaubliche Vielfalt an Whiskyaromen schaffen. Von denen aber – und das ist die Crux – die Wenigsten überhaupt je in den regulären Handel gelangen. Denn über 90 Prozent der Erzeugnisse wird zur Herstellung sogenannter Blends, also Misch-Whiskys, verwendet. Aber genau an diese einzigartigen Whiskys, die man aus diesem einen Fass herausholt, bevor sie für immer verloren gehen, an die wollen sie dran. Um damit die wahre Single-Malt-Vielfalt zu erschließen. Und – das ist am Ende die Geschäftsidee – über ein Crowd-Funding-Abo an Gleichgesinnte verkaufen.
Soviel zur Theorie. Rein praktisch betrachtet stehen sechs von diesen Single Casts (so nennt man die raren und ich vermute sündhaft teuren Einzelfassabfüllungen) jetzt vor mir und den Kollegen und alle sind noch etwas schüchtern. Haben vielleicht noch nie oder erst ganz selten mal einen im Vergleich vermutlich minderwertigen Whisky probiert. Die üblichen Witze über Alkoholkonsum im Allgemeinen („Und, schon vorgeglüht? Hihi.“ „Ich bin Wiedereinsteigerin. Haha.“) und über die angeblich erriechbaren Aromen (Karamell, Zuckerwatte, Limette, Ananas, Zimt, Heu, Stroh und Kiefer soll im ersten Whisky zu erschnuppern sein) werden gemacht. Ich schnuppere ebenfalls fleißig an dem 21 Jahre alten und mit lustigen 51,7 % drehendem Highlander und rieche: Whisky. Na, das kann ja heiter werden. Ein erster Schluck: Sofortiges spürbares kribbeln auf der Zunge, eine spontane Hitzewallung, eine mittelschwere Geschmacksexplosion und die Erkenntnis, dass das hier wohl doch eine andere Nummer ist als der gratis-Grappa vom Italiener um die Ecke. Doch die Nuancen von Orangenlikör, Ingwer, Thymian, Kirsche, Tee und Muskat, die ich schmecken soll, schmecke ich nicht. Das sei aber ganz normal, erklären die Experten, man müsse erst lernen, „hinter den Alkohol zu schmecken“. OK, mal gucken was hinter den, hust, 53,2 % von Kandidat Nummer zwei so zu finden ist. Und da passiert es tatsächlich: ich erschnuppere darin unvermittelt eine intensive Brise von Meeresluft. Der erste Schluck: Salz! Holz! Und ja, etwas Vanille und Kaffee könnten da auch sein. Wahnsinn! Auch die Kollegen werden langsam munter, der eine findet die Bananennote, der andere den pfeffrigen Abgang. Schnell sind die Gläser wieder voll, Kandidat drei verspricht Minzduft (ja!) Gewürzkuchenaroma (doppel-ja!) und einen öligen Abgang (ohhh jahhh!!). Nummer vier ist dann die nächste Steigerung. „Als würde ich über einen Schinken lecken“, sagt der Kollege neben mir, der bereits fleißig die bereitstehenden Schmalzbrote in sich reinstopft. Und er hat recht: Rauch und Kräuter, erinnert mich eindeutig an ein BBQ. Mittlerweile sind alle anderen auch voll im Thema. Eiche, Tabak, Rosinen, Rum, Kaffe, Bitterschoki, Sandelholz und Pfeffer. Alles steigt auf einmal wie von selbst in die Nase und perlt über den Gaumen. Es wird hitzig diskutiert und reichlich gescherzt. Irgendwann zwischen Malt fünf (55,1 %, eindeutige Lakritznote!) und Malt sechs (58,0 % Sherry! Sherry!!) wird mir dann langsam aber sicher klar, woran die allgemeine, spontane Sinneserweckung evtl. auch liegen könnte: Wir sind hier vermutlich alle mittlerweile schlicht und ergreifend betrunken.
Aber die Salznote, die rieche ich in der Flasche von Malt Nr. 2, die ich offensichtlich habe mitgehen lassen, auch tags darauf ganz eindeutig!
Alle Infos: https://www.five-lions.de/