10 Tage Abenteuer

Jan Otto mit Team
Bild: privat

Münsters Radsport-Nachwuchshoffnung Jan Henrik Otto stand kürzlich erstmals am Start der „Tour de Faso“, Afrikas größter Rundfahrt.

Jan, vielleicht magst du am Anfang kurz erzählen, wer du bist und was du treibst, wenn du nicht gerade auf dem Rad sitzt?

Ich bin 19 Jahre alt, komme gebürtig aus Münster-Gievenbeck und studiere hier jetzt im dritten Semester Biowissenschaft. Ich spiele Klavier, gebe einer Studentin auch Unterricht darin, gehe viel auf Konzerte, und was ich jetzt seit fünf Jahren mache ist Standardtanz. Aber der größte Teil in meinem Leben ist im Moment wirklich der Radsport.

Wie bist du dazu gekommen?

Über meinen Vater, der ist früher selber aktiv gefahren, daher kommt das Fieber. Aber als Kind hat mich das eher gelangweilt, stundenlang „Tour de France“ im Fernsehen, ich bin dabei eingeschlafen. Mit neun Jahren habe ich dann mal bei einem Kids-Cup mitgemacht und auch direkt gewonnen, da habe ich gedacht, oh, Rennrad, doch was Gutes! Aber richtig angefangen habe ich relativ spät erst mit 16. Das war jetzt meine zweite volle Saison in der Bundesliga.

Wie oder wann merkt man als junger Sportler, dass man offenbar besser, begabter ist als der Durchschnitt?

Hat mir auch mein Vater immer gesagt: „Du kannst das, du hast den Biss, nach dreimal auf dem Rad sitzen kannst du mich schon fast abhängen.“ Dann fährt man mal bei den üblichen Gruppen mit, Ackermann, Lohmann, da stehen die besten Fahrer aus der Gegend am Start, und wenn es da läuft, hat man den Vergleich.

Deine größten Erfolge bisher?

Letztes Jahr habe ich drei Siege erbracht, davor das Jahr einen. Großer Erfolg war ein vierter Platz in einem Rennen in Belgien, was mit zwei World-Cup-Teams auch sehr stark besetzt war. Jetzt in Afrika, das war natürlich vom Teamergebnis her der mit Abstand größte Erfolg, mit dem wir alle sehr zufrieden sind und wo ich helfen konnte.

Du sprichst von der „Tour de Faso“, der größten Rundfahrt Afrikas, wo du gerade am Start gestanden hast. Wie kam es dazu?

Ein bekannter vom Training, Niklas Domberg, hatte mich angesprochen, das „Team Leeze“ aus Havixbeck bräuchte noch einen guten Helfer. Das habe ich dann mit meinem Trainer abgesprochen und der meinte nur: Das machen wir in jedem Fall! Weil ich Zeit- und Rundfahrer bin, war das am Ende der Saison dann das Rennen für mich.

Wie war der Teamspirit?

Selten so harmonisch erlebt, angenehm, lustig, haben viele Faxen gemacht. Da gab es jetzt auch keine Unstimmigkeit, klar wird auch mal kurz gemeckert, aber unter’m Strich war alles bestens. Wir haben in den zehn Tagen fünf Siege eingefahren, wir waren vier Tage lang im gelben Trikot, haben das Trikot der besten Europäer, wir haben das grüne Sprinter-Trikot, hatten einmal das pinke Trikot des besten Punktefahrers … Wir haben da richtig abgeräumt, sensationell.

Wie fühlt sich das an in so einem Land mit dem Rennrad unterwegs zu sein?

Auf dem Fahrrad ist es ehrlich gesagt langweilig, es geht immer nur geradeaus und letztlich entscheiden die Schlaglöcher und der Wind. Sensationell ist die Kulisse, als Radsportler ist man da Nationalheld. Wenn die da „Tour de Faso“ hören, ist jeder aus dem Häuschen. Ich wage zu behaupten, dass selbst bei der „Tour de France“ nicht so viele Menschen an den Straßen stehen wie da in Afrika. Ganze Schulen stehen da, 300, 400 Kinder, wenn die alle schreien, ist das, als wenn du durch einen Tunnel fährst. Ganze Dorfbevölkerungen stehen da mitunter, atemberaubend. Auch als wir in Ouagadougou reinkamen, Menschenmassen an den Straßen, die uns sehen wollten, obwohl wir nun wirklich nicht Marcel Kittel oder André Greipel sind.

Und aus kultureller Sicht?

Burkina ist ein Land, in dem 70 Kulturen miteinander leben, 55 Prozent Muslime, 35 Prozent Christen, da steht Kirche neben Moschee und es läuft. Es gibt auch dort Terror, keine Frage, aber ich habe mich immer sehr sicher gefühlt. Die Menschen waren sehr aufgeschlossen, man konnte ihnen vertrauen. Faszinierendes Land, in dem man es schafft, dort wo ganz verschiedene Kulturen, die durch unnatürliche Grenzen miteinander auskommen müssen, dass es dort keinen Stress gibt. Das würden wir hier so nicht schaffen. Es ist aber auch ein Land, in dem Hunger und Durst präsent sind. Mir sind dort Menschen begegnet, die waren am verdursten, das hat man gesehen, da wusste man, die leben vielleicht noch heute oder morgen, und dann ist es vorbei. Damit muss man auch klarkommen. Dadurch kommt man aber auch mal wieder von seinem hohen Ross runter …

Nächstes Jahr wieder?

Habe ich schon zugesagt. Ob man dann aufgestellt wird, muss man sehen.

Letzte Frage: Wirst Du jetzt Biologe oder Radprofi?

Wenn mir ein Profivertrag angeboten wird, unterschreibe ich ihn, keine Frage! Das ist ein Traum und ich weiß, es könnte drin sein. Dennoch ist es mir wichtig, erstmal zu Ende zu studieren, denn es ist ein gefährlicher Sport, bei dem ganz schnell was passieren kann, und dann stehst du da.

Vielen Dank und alles Gute!

Das Interview erschien zunächst, leicht gekürzt, in der HALLO.